Rabatten beginnt in der Stille zu singen. Wir sollten ihn holen, denkt Kai.

Jetzt schüttelt Jochen wiederholt, als ob er sich versichern müsse, den Kopf: »Es kann gar nicht gehen, das Haus, Kai, zu verteidigen, ist dumm.« Der mit der kurzen Lederhose, die Beine ungleich abgeschnitten, beginnt sich unvermittelt zu drehen, rotzt in sein T-Shirt, brabbelt: Du Ficksau, alte Ficksau, trudelt dann quer durchs Zimmer, gerät in eine Nische, dann in den Abstellraum. Auf dem Balkon hockt ein Posten und mault durch die offene Tür: Seid mal still! Nichts, nur der knubbellge Dreher, Kai konnte mit ihm tapezieren, die anderen wurden bespuckt.

Dann redet der Dreher im Raum von seiner Schwester. »Tittenfotze!«, im Knast hat er die Zelle angesteckt: »Wegen Kunststoff!« Im Keller dann, im kahlen Bunker: »Die Schaumstoffmatratze muß weg.« Jetzt trudelt er weiter, raus, in die Küche, Kai schnuppert, selbst unter den Achseln riecht er noch immer nach Rauch.

Was ist daran zu begreifen, fragt Jochen, der am Boden hockt, und verlagert sein Gewicht von den Händen auf die Füße, das Haus ist eine Falle, daran führt nichts vorbei. Krümel von verbranntem Gummi, wenn Kai sich durch die Haare streicht, er niest. Und niest - »Gesundheit«, Manuela grinst.

Kriecher, denkt Kai, beinahe belustigt, derweil er sich im Zimmer umsieht, die Fingerkuppen aufgeschürft, die Handknöchel ein bißchen blutig. Aber noch immer flüstern sie, die drei Schwestern mit dürren Sandalen, lavendelfarbenen Röcken und Bändern im immer knöchernen Haar. Sitzen nah kalten Kachelöfen und sehnen sich nach ihren Katzen. Aber was war das, was sie mal wußten? - Sich entweder den Auflösungsprozessen eines verfälschten Lebens überlassen oder die ursprüngliche Einheit erringen? So eng beieinander hocken sie da, als wäre die Nähe der Körper ein Schutz vor dem wartenden Feind.

Der Dreher in den kurzen Hosen hält die Hände angewinkelt, so lange, bis die Handrücken dicklich und lila, die Finger wie weiße Wurstenden sind. »Ich scheiß nich in Schüsseln, mach lieber auf Zeitung« - »Warum?« - »Is mehr wie draußen, Kai, weßt du.« Als Kai ihn im Zimmer, »tut mir echt leid«, überrascht hat: »Verbrenn ick immer im Ofen, die Scheiße, jeht allet janz weg.« Und immer noch reden diejenigen, die es immer ganz genau wissen, vom Deal und meinen: Verhandeln: mit jedem - und geben nur vor, es ware zu unserem Vorteil, für uns.

Weil es nicht geht, sagt Jochen noch einmal, diesmal, ohne den Kopf zu schütteln: Weil es nicht machbar ist. Wenn niemand dich erquicken kann, dann schaue deinen Heiland an, kräftiges Kurbeln des Drehers im Flur. Ein Goldfisch gluckst im Gurkenglas, einst hat er auch, der Menschenfreund, im Tränentale hier geweint. »Man kann das Haus nicht verteidigen, und vorbereitet ist nichts.« Aber was werden wir machen, nuschelt der, den sie Prinz nennen, und schneuzt sich - »alles stinkt nach dem Scheißgas!« -, wenn sie, die Bullen, die Ärsche, wenn sie vorne, vor der Tür einen von uns umhaun?

Draußen fahren die Greiftrupps mit nahezu lautlosem Motor vorbei. Der Dreher dreht und kurbelt, das Zimmer schrumpft, die Wände wachsen, von der Decke lappen schon wieder feuchte Rauhfaserbahnen, die Goldfische im Gurkenglas, die kümmerlichen Hanfgewächse atmen das Schweigen ein und aus. Ein kleiner Guppy knabbert Stückchen aus einer Rückenflosse, die Katze langt nach einem Fisch und wird vom Beistelltisch verjagt, das Knacksen von Pistazien im krümellgen Mund. Und Scheinwerfer auf der Fassade, vor dem Fenster blinkt ein Blaulicht, rhythmisch rucken die Schatten über die Muster der rissigen Wand. EINS, ZWEI, DREI - LASST DIE LEUTE FREI. Sprüche, denkt Kai.

Der Junge auf dem Bürgersteig, der neben seiner Freundin hockt, hat aufgehört zu singen. Die Ruhe, quengelt jetzt der Prinz, den Mund voller Pistazien, durch aufgesprungne Lippen, die Ruhe vor dem Sturm. Einer im Wasserglas, denkt Kai - Wir können, nuschelt Jochen, das Haus hier niemals halten - Sie warten, sagt Manuela, und niemand redet mehr. Aber der Ausgangspunkt unserer Rede ist unsere Handlung. Kai erhebt sich,

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